Stellte der griechische Philosoph Sokrates vor fast 2500 Jahren fest: „Wir müssen essen, um zu leben“, ist die Nahrungsaufnahme heutzutage ein zentraler Bestandteil des täglichen Lebens geworden („Wir leben, um zu essen“).
Essgewohnheiten spielen eine entscheidende Rolle, wenn durch mangelnde Bewegung im Alltag eine eklatante Schieflage zwischen Nahungs-(Energie-)Aufnahme und körperlicher Aktivität (Energieverbrauch) entsteht.
Aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass in Deutschland derzeit ca. 2/3 der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) übergewichtig sind. (BMI > 25 kg/m²) Diese Thematik ist insofern bedeutsam, da man mit Fug und Recht in den vergangen wenigen Jahrzehnten in den westlichen Ländern von einer Epidemie an Fehlernährung sprechen kann und weil die Fettleibigkeit zahlreiche Risiken an Folgeerkrankungen für die Betroffenen beinhaltet.
Dennoch ist Adipositas in Deutschland formal nicht als Krankheit anerkannt.
Daraus ergeben sich Konsequenzen für das Therapieangebot und dessen Finanzierung durch die Kostenträger.
Grafik wikipedia
Auch die Waist-to-Hip-Ratio (WHR = Taillenumfang zu Hüftumfang) ist ein Unterscheidungsmerkmal:
Ein erhöhtes wird bei Frauen ab einem Bauchumfang von 88 cm, ein deutlich erhöhtes Risiko ab 98 cm festgestellt.
entsprechende Grenzwerte sind bei Männern 94 cm und 102 cm.
Bei den Ursachen spielen sowohl genetische Faktoren, mikrobielle Ursachen, z.B. der Darmbesiedelung mit nützlichen oder weniger wünschenswerten Keimen *) ein Rolle; vor allem aber Überernährung, Fehlernährung, Bewegungsmangel, gestörter Schlaf und psychosozialer Stress eine zentrale Rolle.
(* Keime = Mikroorganismen setzten sich aus den allgemein bekannten Bakterien, Viren und Pilzen zusammen sowie aus Protozoen, Archaea und Mikroalgen.)
Während bei der Adipositas Grad I (BMI 30 – 34,9 kg/m²) mittels verschiedener Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensstrategien recht erfolgreich behandelt werden kann, gibt es für die Adipositas Grad II und III nur zwei wissenschaftlich belege Therapieoptionen: geprüfte multimodale Gewichtsreduktionsprogramme *) über 6 – 12 Monate oder – im Fall unzureichenden Erfolges – die Adiopsitaschirurgie.
(* Grundsätzlich stehen 3 Interventionsebenen zum Abnehmen zur Verfügung:
1.) Erhöhung des Energieverbrauchs durch Steigerung der körperlichen Aktivität
Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren, zügiges Wandern (5 – 7 km/h) wirken. Sport in der Gruppe wirkt gegen soziale Isolation; Gewichtsabnahme steigert das Selbstvertrauen, vermindert Depression und Angst. Ist Sport aufgrund des Gewichts kaum zu realisieren, wird zumindest die Steigerung der Alltagsbewegungen empfohlen.
Für effektive Gewichtsabnahme sind 150 Min. +/ Woche mit Energieverbrauch von 1.200-1.800 kcal/Woche empfohlen.
Regelmäßige körperliche Aktivität mit etwa 1/3 der körperlichen Leistungsfähigkeit ist am besten dazu geeignet.
2.) Verringerung der Energieaufnahme über die Nahrung
Reduktionskost mit einem Energiedefizit von 500 kcal/Tag ist anzustreben. Die Zusammensetzung der Nährstoffe (Fett, Kohlenhydrate, Eiweiß) ist für die Gewichtsabnahme unwesentlich. Wichtig sind Vorlieben und Praktikabilität.
Vorsticht: (Pflanzliche) Schlankheitskapseln sind in der Regel ohne Wirkungsnachweis und enthalten oft illegale Substanzen (wie z.B. Amphetamin) mit erheblichen Gesundheitsgefahren.
3.) Lebensstil- und Verhaltensveränderung, die vor allem in der Gewichtstabilisierungsphase wichtig ist)
Zu Zeiten, als die wenigen Menschen auf der Erde noch als Jäger und Sammler unterwegs waren, war die Nahrungsverwertung ein wichtiges Überlebensmerkmal: wer einen Überschuss an Energie in Fettzellen speichern konnte, konnte in Zeiten des Mangels davon zehren. Seit diesen Zeiten (erst vor ca. 12.000 Jahren begannen mit der neolitischen landwirtschaftlichen Revolution neuen Ernährungsgewohnheiten) hat sich die genetische Ausstattung des Menschen praktisch nicht verändert, so dass die starke Zunahme der Adipositas in den vergangenen Jahrzehnten das Ergebnis von veränderten Lebensumständen in den Wohlstandsgesellschaften ist.
Die Folgekrankheiten der Adipositas hängen vor allem vom Ausmaß der Fettleibigkeit, dem Fettverteilungsmuster und der Dauer ab.
Besonders häufig finden sich Stoffwechsel– und Herz-Kreislauf-Krankheiten, aber auch orthopädische, gastroenterologische und onkologische Erkrankungen: Karzinome des Dickdarms, der Brüste und der Gebärmutter, der Nieren und der Speiseröhre sowie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz und neuro-psychiatrische Erkrankungen gehen damit einher.
Quelle: Hessisches Ärzteblatt 10/2021, S. 543 ff
Dr. med. Katharina Böttger, Miriam Oster, Prof. Dr. med. Dr. oec.troph. Jürgen Stein
In der Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes, Jg. 120, Heft 15, vom 14. 4. 2023, S. 672 wird sogar festgestellt, dass Adipositias als heterogenes Krankheitsbild nicht isoliert, sondern im Kontext mit anderen Erkrankungen wie Diabetes, arterieller Hypertonie, Demenz und Osteoporose verstanden werden muss; dass das Risiko für Adipositas mit dem sozioökonomischen Hintergrund korreliert. Ärztinnen und Ärzte müssten daher immer wieder darauf aufmerksam machen, dass ungleiche Lebensbedingungen und soziale Spaltung deutliche gesundheitliche Konsequenzen