Die Uhren werden umgestellt

Seit 1980 gibt es zweimal im Jahr einen künstlichen „Zeitsprung“: Eine Stunde vor, eine Stunde zurück.
Eselsbrücke: Die Uhr wird so gestellt, wie die Stühle im Biergarten: Im Sommer vor das Restaurant und im Winter zurück ins Lager.
Für den Tagesablauf bedeutet das Uhrumstellen, dass es morgens früher hell und abends zeitiger dunkel wird. Dabei war die ursprüngliche Idee der Zeitumstellung das Energiesparen. Das hat sich jedoch bald als Trugschluss erwiesen.
Die Zeitumstellung findet in der Nacht von Samstag auf Sonntag Ende März und Ende Oktober statt.
Winterzeit – Sommerzeit, eine menschliche Erfindung, als ob wir außerhalb der Natur wären.

Die innere Uhr – eingestellt auf 24 -25 Stunden

Die Erde dreht sich nicht nur um die Sonne, sondern auch um die eigene Achse.
Daher wird es an verschiedenen Punkten der Erde zu unterschiedlichen Zeiten hell und dunkel.

Welt-Zeitzonen-Karte
Welt-Zeit-Zonen – Bild: US Central Intelligence Agency 5. 11. 2012 – Gemeinfrei

Daran haben sich die Lebewesen mit ihren biologischen Rhythmen angepasst.
Bei uns Menschen steuern etwa 10.000 Zellen oberhalb der Sehnervenkreuzung im Gehirn die innere Taktung unserer inneren Uhr nach dem Lichteinfall durch die Augen. Sie regulieren die Körperfunktionen als kontinuierliche, in wiederkehrenden Zyklen ablaufende Veränderungen im Organismus.
Solche Biorhythmen sind beim Menschen z.B.: Schlaf-Wach-Rhythmus, Nahrungsaufnahme- und Trink-rhythmus, Körpertemperaturrhythmus oder endokrine Rhythmen (Drüsenfunktion) und das passende Nacheinander unseres Stoffwechsels. Andere Formen von biologischer Periodik sind der weibliche Zyklus, der Herzschlag und die Erneuerung der Blutkörperchen und vieles mehr.

Lichtverschmutzung und Zeitumstellung

Durch unsere technischen Entwicklungen haben wir seit noch nicht allzu langer Zeit immer mehr Nachtstunden „zum Tag“ gemacht. Durch künstliches Licht schon sind viele biologische Abläufe gestört und
zirkadiane Rhythmus geraten immer stärker aus dem Gleichgewicht.
Schon innerhalb einer Zeitzone sind gesundheitliche Auswirkungen dieses Phänomens nachweisbar.
So nimmt etwa das Krebsrisiko von Ost nach West zu, weil im Westen die „Verspätung“ des Sonnenhöchst-standes etwas größer ist als im Osten [3-5]. Oder: Studien legen z.B. nahe, dass die Menstruation von Frauen in der Antike wahrscheinlich noch im Einklang mit der Mondphase bzw. dem Vollmondlicht war. Heute ist dies allenfalls noch eingeschränkt der Fall.

Nun haben wir zusätzlich mit der Zeitumstellung zwei Mal im Jahr einen „sozialen Jetlag“ im Dauerzustand geschaffen. Das Leben in veränderten Zeitzonen bzw. Lichtverhältnissen bedeutet für den Körper Neueinstellung der Parameter. Das ist eine Herausforderung für Körper und Gemüt.
Ohne elektrisches Licht lag die Schlafmitte bei etwa 1 Uhr nachts, heute bei etwa vier Uhr [2].
Lichtverschmutzung und der halbjährlichen Verwirrung bedeuten für nicht wenigen Menschen Schlafstörungen und andere Missempfindungen. Zudem treten in Folge vom Stress Depressionen und Stoffwechselstörungen wie Fettleibigkeit und Diabetes vermehrt auf. Mit jeder Stunde von sozialem Jetlag verdreifacht sich das Risiko, an Stoffwechselsyndromen zu erkranken.

Ewige Sommerzeit – schönes Wetter, gute Laune und … erhöhte Produktivität

Bei der europaweiten Umfrage 2018 waren sich ca. 80 % der viereinhalb Millionen Teilnehmer einig, dass der mit der Zeitumstellung endlich vorbei sein müsse.
Sollte der Wechsel, wie in der EU nun diskutiert, wirklich abgeschafft werden, droht die nächste Gefahr:
sehr viele Menschen favorisieren eine dauerhafte Sommerzeit.
Aktuell noch sind sich die europäischen Staaten nicht einig, in welche Richtung die Uhr gedreht werden soll. Und ein innereuropäischer Flickenteppich mit unterschiedlichen Zeittakten soll natürlich auch vermieden werden.
Selbst innerhalb Deutschlands sind von Ost nach West deutlich unterschiedliche Sonnenaufgangs- und
-untergangszeiten festzustellen. Auf ganz Europa betrachtet, verschärfen sich diese Unterschiede natürlich noch weiter.

Obwohl sich immerwährende Sommerzeit erst einmal gut anhört, halten Chronobiologen das für eine schlechte Idee. Sie plädieren stattdessen für eine Rückkehr zur Winterzeit.
Denn der Unterschied zwischen der offiziellen Uhrzeit und der natürlichen Tageszeit ist ein Problem. Während wir unser Leben nach Arbeitsterminen und der Zeitanzeige der Uhren ausrichten, stellt sich unser Körper immer noch nach den Lichtverhältnissen der Umwelt ein.
Schon in der Winterzeit hinkt der Sonnenhöchststand unserer Zeit hinterher:
Die Sonne steht erst rund 30 Minuten nach 12 am Zenit. In der Sommerzeit kommt noch eine Stunde „Verspätung“ dazu. Wir laufen mit unserer Tagesorganisation sozusagen eineinhalb Stunden am tatsächlichen Tagesverlauf vorbei.
Das kann auf Dauer die innere Uhr durcheinanderbringen, die Stimmung trüben und sogar krank machen.

Mittlerweile gibt es sogar die Möglichkeit, den Chronotyp per Bluttest zu bestimmen, also ob jemand eher Frühaufsteher oder Langschläfer ist.
Das kann z.B. dabei helfen, eine Medikamentengabe noch besser auf die Innenzeit des Patienten abzustimmen oder die Behandlung von Allergien kann verbessern [7] und die Wirksamkeit von Impfungen oder die Wundheilung, die tageszeitabhängig sind [8-9].

Das Sommerzeit-Experiment in Russland … und der Bezug zu Deutschland

In Russland hat man die negativen Folgen einer ganzjährigen Sommerzeit bereits erlebt. Fast vier Jahre lang ließ man dort die Uhren um eine Stunde zurückgestellt. In manchen Regionen ging die Sonne damit erst gegen 10 Uhr vormittags auf, die Menschen klagten vermehrt über Schlafstörungen und Unwohlsein [6].
Russland hat diesen Selbstversuch 2014 beendet, und ist zurück zur dauerhaften Standardzeit (Winterzeit) gewechselt. Ob das aber die Lösung ist, bleibt abzuwarten. Denn nun macht einigen Menschen das andere Extrem zu schaffen: der frühe Sonnenaufgang im Sommer, teilweise schon um vier Uhr.

In Deutschland würde am kürzesten Tag des Jahres der Sonnenaufgang ganz im Westen erst gegen 9:30 Uhr beginnen. Spätestens nach ein paar Jahren würde jeder merken, dass die Sommerzeit auf Dauer nicht funktioniert.

Möglicherweise stellt sich am Ende ein Zeitenwechsel zwischen Sommer und Winterzeit also doch als das kleinere Übel heraus?
Zwar wird die Zeitumstellung mit Schlafproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und sogar erhöhtem Herzinfarktrisiko in Verbindung gebracht, doch sind diese Effekte nach einigen Tagen oder spätestens Wochen größtenteils verschwunden.
Die dauerhafte Sommerzeit würde den Körper hingegen auf eine langfristige Belastungsprobe stellen.

Momentan sieht es ohnehin so aus, als würde die versprochene Abschaffung der Zeitumstellung noch auf sich warten lassen. Denn die Streitfrage, welche Zeit dann die neue Standardzeit bleiben soll, bleibt aus politischer Sicht noch unbeantwortet.

Quellen:

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