Wie lernen Kinder Aufräumen?

Chaos im Kinderzimmer, ein wohl vertrautes Bild.
Macht man sich allerdings klar, dass ein Kind in seinem neuronalen Netzwerk zunächst Strukturen und Ordnungen entwickeln muss, erscheint das Chaos im Außen ein Spiegelbild der aktuellen inneren Zustände im Gehirn der Kinder zu sein.

Aufräumen muss also gelernt werden.
Das gelingt – wiederum als Spiegelbild – über die Eindrücke, die ein Kind daheim oder im Kindergarten erfährt. Denn eine große Lernschiene ist das Nachahmen.
Denn Tun, das Erleben der eigenen körperlichen Erfahrungen und das Beobachtung des Handelns der Gr0ßen, sind die primären Erlebnisse – noch lange bevor diese Eindrücke in die abstrakte Welt der Worte übersetzt werden können.
Daher zählen Worte, also das, was die Eltern ihren Kindern sagen, weit weniger, als das, was die Kinder sich bei den Erwachsenen abschauen.
In der Konsequenz heißt das also immer wieder
a) selbst Disziplin an den Tag legen, Ordnung vorleben und
b) vielfach mit den Kindern zusammen aufräumen – am besten in ein Spiel / in einen Erklärungsrahmen einbauen, so dass die Kinder allmählich eine stabile inneres Bild vom Aufräumen entwickeln und die Vorteile von Ordnung und etwas wiederfinden erkennen können.
Lernen meint wiederholen! Denn nur durch die Nutzung der neuronalen Verbindungen werden die Netzwerke stabilisiert, bleiben damit als bedeutsam erhalten und funktionieren irgendwann schneller und stabil – bei manchen Menschen erst im Erwachsenenalter, wenn sie sich selbstverantwortlich fühlen.

Mit etwa 2 – 3 Jahren greifen Kinder von sich aus zu Putzlappen, Besen und Schrubber, steigen in die großen Schuhe der Eltern und imitieren das beobachtete Rollenverhalten. Bedingung ist da eben, dass Mutter und Vater als Vorbild vorangehen und die Kids auch mitmachen lassen. Auch wenn das zunächst keine große Hilfe ist oder für noch mehr Chaos sorgt, sollten die Erwachsenen die Kinder unterstützen ihre neuen Erfahrungen zu machen. Wie gesagt braucht es Anleitung und gemeinsames Tun.
Schimpfen wegen der angestellten Unordnung ist kontraproduktiv. Es wird immer wieder verwechselt, dass die Kinder nicht das gleiche sehen oder wissen, wie die Eltern und übersehen, dass sie mit eigenem Kopf denken. Sie kennen die Ordnungsprinzipien noch nicht, sie erlernen sie erst durch ihr Tun.

Je älter die Kinder werden, desto besser können Eltern mit den Kindern konkrete Verabredungen treffen, was wie und bis wann gemacht werden soll. Wichtig ist, den Kindern und ihrer Argumentation zuzuhören.
In der Kinderwelt herrschen ganz andere Vorstellungen und kreative Lösungen, als in der Erwachsenenwelt.

Nicht vergessen, auch bei den älteren Kindern funktioniert das Aufräumen des Kinderzimmers (ebenso wie andere Aufgaben im Haushalt) über etliche Zeit (oft Jahre, nicht Male!) nur, wenn Sie mitmachen.
Es dauert halt so lange, bis im eigenen Nervenkostüm des Kindes eine klare Form und Struktur von diesem Vorgang gebildet wurde. Dann erst sind sie in der Lage, den Vorgang selbständig zu bewältigen.
Zu beachten ist auch, dass das Belohnungssystem im Gehirn deutlich früher ausreift, als das System, das Weitblick und Selbstbegrenzung organisiert – diese Fähigkeiten sind erst in der späten Pubertät verfügbar.
In der Praxis heißt das, dass Kinder in der Regel lustbetont entscheiden und für sie nur kurzfristige Ziele überschaubar sind.

Kinder werden also kaum selbst erkennen, wann es Zeit zum Aufräumen ist. Eltern müssen also in der Funktion eines Hilfs-Ich immer wieder den Anstoß geben.
Sinnvoll, wie gesagt, ist es den Impuls mit einem gemeinsamen Spiel des Aufräumens lustvoll zu gestalten und die Aktion nicht zu lange andauern zu lassen. Kleine Ziele sind besser zu begreifen, als große Zusammenhänge (wie z.B. ein ganzes Zimmer aufräumen).
Einsehbare Ziele, wie „Wir schaffen mal Platz, damit Du besser basteln kannst“ oder „Wir suchen mal alle Legosteine, die in diese Spielekiste gehören“ oder „Komm, wir schauen uns mal Deine Bilder an und sortieren welche wir für unser Fotoalbum fotografieren und welche weg können“ usw.
Sinnvoll und hilfreich für die innere Zuordnung ist es, Spieleboxen und feste Orte z.B. für Bücher und Spiele zu haben. Das hilft dem Kind das Ordnungssystem zu verstehen und durch Wiederholungen im Inneren wie im Außen eine Struktur zu bilden.

Zum Schluss ein Wort zum Thema Konsequenz, die in vielen pädagogischen Schriften als so wichtig dargestellt wird:
Konsequentes Verhalten meint vor allem wiederholtes Verhalten, so dass das Kind verstehen kann, was wie mit wem zusammenhängt und zu erwarten ist.
Erst wenn diese Logik verstanden ist, ist vorausdenkendes Planen und Handeln möglich.
Erst dann lassen sich „Wenn – Dann“- Beziehungen konstruieren und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge denken. Sprache wird dabei im Laufe der Zeit ein energie- und zeitsparendes Hilfsmittel des Probehandelns.
Das Androhen von Konsequenzen ist je jünger, desto unsinniger, da Kinder mit diesen Konstrukten aus der Erwachsenenwelt oft noch nichts anfangen können.
Wenn, dann sind Konsequenzen nur sinnvoll, wenn sie zeitnah und in klarem Zusammenhang mit dem Verhalten der Kinder und der Reaktion der Erwachsenen stehen.
Je älter die Kinder, desto mehr kann man sie in die Aushandlung von Konsequenzen einbeziehen. Denn es ist wichtig, dass die Kinder die Zusammenhänge sehen und verstehen lernen.

Im Konfliktfall ist es meist günstig, eine zeitlich überschaubare Unterbrechung zu verabreden und sich später über den Vorgang zu unterhalten, wenn die akute Not und Überforderung, die drohende Eskalation und Verletzung überwunden sind und wieder ruhig, vernünftig und reflektiert über die Situation gesprochen werden kann.


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