In den 50er Jahren erlebte ich als Kind, wie nach einem Wolkenbruch irgendwo oberhalb des Flusslaufes, an dem unser Haus lag – zwar nach Vorwarnung, dann aber doch schneller und höher, als man sich vorstellen konnte – Wassermassen durch die geschlossene Haustür und Fenster drangen und die erste Etage des Hauses bis zur Hälfte unter brauner Brühe verschwinden ließ. Vor dem Fenster sahen wir Misthaufen mit Hühnern obenauf durch die Straßen treiben.
In den 70er Jahren konnte ich hier im Winter noch mit den Langlaufskiern von der Haustüre aus zu Erkundungstouren in die Umgebung aufbrechen.
50 Jahre später blühen im Januar die Haselsträucher und ärgern die Allergiker und schon heute fordern Hitzewellen in Deutschland viele Tausend Opfer pro Jahr.
Wärmedämmung der Häuser, Beschattung und Begrünung, Belüftung, Bäume, Wasserspiele, wie auch die Beseitigung von Wärmeinseln in den Ortschaften, Veränderungen im Energie- und Transportsektor, sogar Angebote von kühlen öffentlichen Räumen werden in Zukunft wichtig werden.
Vor allem aber ist die Reduzierung der Treibhausgase dringend geboten, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Denn durch den Klimawandel steigt die Zahl der Extremwetterereignisse. Während es in den 1970er-Jahren noch durchschnittlich 711 dieser Ereignisse pro Jahr gab, waren es in den 2010er Jahren im Durchschnitt bereits 3.165. An den Folgen des Extremwetters starben zwischen 1970 und 2019 weltweit mehr als Zweimillionen Menschen – 90 % von ihnen in Entwicklungsländern. Doch auch in Deutschland steigt die Zahl der Hitzetoten; zwischen 2000 und 2004 pro Jahr im Durchschnitt 8.340 Menschen über 65 Jahren; 2018 waren es 20.200. Nur in China und Indien gab es mehr Opfer: 62.000 bzw. 31.000. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung gab es vergleichsweise 2018 jedoch nirgends mehr Hitzetote als in Deutschland.
Das liegt zum einen daran, dass es hierzulande aufgrund der demographischen Entwicklung besonders viele klimaverletzliche Menschen gibt und viele in Städten leben. Zum anderen ist die Temperatur seit der vorindustriellen Zeit in Deutschland stärker gestiegen als im Rest der Welt. Einer Untersuchung des Deutschen Wetterdienstes zufolge erhöhte sich bis 2019 hier in Deutschland die Durchschnittstemperatur um 1,6 Grad Celsius, während sie im weltweiten Durchschnitt um 1.0 Grad Celsius angestiegen ist. Dadurch nahm auch die Zahl der heißen und sehr heißen Tage stärker zu.
Ab 30 Grad Celsius besteht die Gefahr zu kollabieren. besonders kritisch wird es ab 35 Grad und schwüler Hitze in der Nacht. Schnell kann es da zu Elektrolytstörungen kommen, insbes. wenn zu wenig getrunken wird.
Hitzewellen haben vor allem negative Auswirkungen auf die Gesundheit von älteren Menschen und von Menschen mit Vorerkrankungen, insbes. des Herz-Kreislaus-Systems, der Lungen, der Nieren, der Psyche, mit Diabetes sowie Menschen mit Infektionskrankheiten, bei Menschen, die bettlägerig oder schwanger sind, für Säugling, Kinder, Demente und Menschen, die in prekären Verhältnissen leben und oft geringe Möglichkeiten zur Klimaregulation haben, die draußen arbeiten oder Obdachlos sind. Wer Medikamente einnimmt, der muss die Dosierungen vom Arzt anpassen lassen.
Hitze ist in Deutschland die größte Bedrohung für die Gesundheit, auch wenn darüber hinaus Gefahren von anderen Extremwetterereignissen wie Starkregen, Überschwemmungen oder Waldbränden ausgehen.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt Jg. 119, Heft 5, 4.2.2022, S. 162-164, von Falk Osterloh: Schutz vor Hitze
Foto: Lindemann