Der Klimawandel ist bereits im vollen Gange. Temperaturen von 18 bis 34 Grad im Mittel dehnen sich auf fast alle Gebiete Europas aus. Mit höheren Temperaturen und weiteren klimatischen Veränderungen etablieren sich neue Infektionskrankheiten in Deutschland und bereits bekannte nehmen an Heftigkeit zu.
Das ist der Tenor des kürzlich veröffentlichten Sachstandsberichtes zu Klimawandel und Gesundheit, der unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) entstanden ist.
„Nur eine gesund Umwelt ermöglicht auch die Gesundheit des Menschen“, sagt Prof. Elke Herting (Uni Augsburg).
Neben den von Insekten übertragenen Krankheitserregern sind es auch Lebensmittel, über die mehr Bakterien (insbes. in den Sommermonaten Campylobacter und Salmonellen), Parasiten (wie Kryptosporidien oder Giardien) oder Viren in den Körper gelangen können und bei höheren Temperaturen die Erkrankungsraten steigen lassen.
Vorsicht ist vor allem geboten bei Fleisch, Fisch und Geflügel- und Rohmilchprodukten sowie ungewaschenem Gemüse. Denn bei zunehmender Wassserknappheit wird in der landwirtschaftlichen Bewässerung auch auf aufbereitetes Abwasser zurückgegriffen. Daher ist im Juni 2023 die EU-Verordnung zu Mindestanforderungen der Wasserqualität in Kraft getreten.
Neben verschiedenen Erregern sind auch Toxine in den wärmeren Gewässern in Küstennähe und Binnengewässern zu bedenken. Denn Wärme allgemein begünstigt das Wachstum, so dass in Gewässern Wundinfektionen und Magen-Darm-Infektionen ausgelöst werden können. Auch in Meeresfrüchten, insbesondere in Muscheln und Garnelen, die das Wasser filtern, können sich die Erreger und Gifte anreichern. Aktuell finden sich toxinogene Nicht-Cholera-Vibrionen vor allem in gleichbleibend warmen Gewässern, aus denen Seafood zum Teil exportiert wird. Mit ausreichender Erhitzung können diese Erreger abgetötet werden. Aber auch bestimmte Mikroalgen können biogene Toxine (Gifte) absondern, die über das Wasser, Fische oder Schalentiere aufgenommen werden.
Quelle: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 120, Heft 27-28, 10. Juli 2023
Noch sind die durch die Asiatische Tiegermücke übertragenen Krankheiten reiseassoziierte Krankheiten, die man sich aus süd- und südostasiatischen Ländern mitbringt, aber auch schon aus Südeuropa. Bei Fieber unklaren Ursprungs ist also (auch ohne Reiseanamnese) an in Deutschland nicht heimische Erreger zu denken.
Die Tiegermücke ist als Überträger von Krankheitserregern wie beispielsweise dem Zika-Virus, dem Chikungunya-Virus und dem Dengue-Virus bedeutsam und mindestens seit 2015 in Deutschland (bestätigt in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern, Thüringen und Berlin). Vor Ort entstandene Infektionen sind hierzulande allerdings noch nicht bekannt.
Anders ist es bei West-Nil-Virus, das von in Deutschland heimischen Culex-Arten – insbesondere in Ostdeutschland – übertragen wird.
Bei unklaren Entzündungen am Gehirn sowie unklaren Häufungen von Fieberschüben sollte diagnostisch auch nach dem West-Nil-Virus gefahndet werden. Erkrankte entwickeln meist unkompliziertes, abrupt beginnendes Fieber und grippeähnliche Symptome. Eine Meningitis (Hirnhautentzündung) oder Enzepahalitis (Gehirnentzündung) kommen dabei in 1 % er Fälle vor – meist bei älteren oder chronisch kranken Menschen.
Endemiegebiete finden sich in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In südlichen und südöstlichen Landkreisen überschneiden sich die Endemiegebiete mit den Risikogebieten der FSME (Frühsommermeningoenzephalitis) die durch Zecken übertragen wird. Auch ihre Verbreitung wird durch die Klimabedingungen begünstigt.
Beide Infektionskrankheiten verlaufen oft asymptomatisch.
D.h. nur ein kleiner Teil der Infektionen wird erfasst.
Auch die Asiatische Buschmücke und die Gelbfiebermücke oder die koreanische Buschmücke sind kürzlich in Hessen nachgewiesen worden. Auch sie werden in Zukunft bei der Übertragung von Krankheiten eine Rolle spielen.
Prophylaktisch gibt es bereits zwei Impfstoffe gegen das Dengue-Virus,
ein Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus steht kurz vor der Zulassung,
aber gegen das West-Nil-Virus und gegen das Zika-Virus ist kein Impfstoff in Aussicht.
Die Überwachung läuft sowohl über systemische Erfassung als auch über Citizen-Science-Projekte, wie dem Mückenatlas. Menschen können dafür gefundene, verdächtige Moskitos einsenden.
Fotos: Wikipedia
Quelle: Dr. med. Mirjam Martin, Infektionen nehmen zu; Deutsches Ärzteblatt, Jg. 120, Heft 24, 16. 6. 2023, S. 1080-1081