Foto: DNEVNO.hr
Das Foto zeigt Elisabeth Schwarzhaupt – die erste Ministerin in der deutschen Geschichte – 1986
Gleichberechtigung, so wie wir sie heute als „selbstverständlich“ ansehen, ist in den Ideen von Humanismus und Aufklärung verwurzelt und Wesenskern der Menschenwürde.
Gelebt ist sie in der Regel aber immer noch nicht wirklich, wie man unter vielem anderen am Gender Pay Gap sehen kann.
Tief verwurzelt ist die philosophische Gratwanderung zwischen Körperleib und Geist, zwischen Natur und Idee, zwischen weiblich und männlich(er) Dominanz.
Ein in der europäischen Vorstellungswelt prägender Punkt war die in Platons Symposion vertretene Ideenlehre; wobei in der Antike übliche Knabenliebe zwischen pubertären Knaben und älteren Mentoren zu einem angeblich rein intellektuellen Zeugungsakt metaphorisiert und als Beleg männlicher = geistiger Überlegenheit gegenüber der weiblichen Natur stilisiert wurde. (vgl. Christoph Türcke, Sexus und Geist).
Als der Mann noch gottgleich war
so titelte die TAZ 2008, zu „50 Jahre Gleichberechtigung per Gesetz„.
Nach alten Recht konnte der Mann hierzulande bis 1958 über das in die Ehe eingebrachte Vermögen der Frau zu entscheiden. Eine Berufstätigkeit konnte die Frau nur dann ausüben, wenn der Ehemann zustimmte. In allen Angelegenheiten besaß er ein „Letztentscheidungsrecht“.
Diese Passagen wurden im neuen Gesetz zwar gestrichen. Die traditionelle Rollenverteilung war damals jedoch selbstverständlich. Also stand auch im neu gefassten Paragrafen 1356 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist“. Erst 1977 wurde der § 1356 neu gefasst. Darin heißt es nun: „Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen … Die Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen.“
Über den Tellerrad hinausgeblickt
… zeigt sich eine weitere schreckliche Facette der männlichen Angst vor der Kraft der weiblich assoziierten Natur: die weibliche Genitalverstümmelung. Bei der (engl.) Female Genital Mutilation oder FGM werden die weiblichen Geschlechtsorgane teilweise oder vollständig entfernt, beziehungsweise beschädigt.
Den meisten wird glauben gemacht, dass FGM eine religiöse Pflicht ist, doch weder die Bibel noch der Koran erwähnen derartige Rituale.
Allein diese schematische Abbildung der oft ohne Betäubung vorgenommenen Eingriffe an Kindern (vom Säugling bis ins Erwachsenenalter, mit Altersgipfeln im Kleinkindalter und in der Pubertät) schockiert:
Foto: Saida International – Über diese Adresse erfolgt auch Kontakt zu einer Beratungsstelle
Quelle: Hessisches Ärzteblatt 6/2023
In vielen Ländern ist die Jungfräulichkeit eine Vorbedingung für die Heirat, aus diesem Grund soll mindestens die Klitoris entfernt werden, um die Frau vor ihrer „sexuellen Natur“ zu schützen. Dabei wird die Triebhaftigkeit der Männer völlig ausgeblendet. Letztlich geht es darum, dass die Männerwelt sich sicher wähnen möchte, dass ein Kind von ihm ist, wenn eine Frau noch keinen Geschlechtsverkehr hatte. Darum soll die Frau angeblich von Versuchungen, Verdächtigungen und Schande geschützt werden, indem sie ihre Keuschheit bewahrt. Durch FGM glaubt man, das Problem lösen zu können – sogar, wenn es das Leben der Opfer kosten sollte.
FGM reduziert jedoch nur die Empfindlichkeit und nicht das Verlangen. Zudem hält es Männer auch nicht ab.
1997 haben 26 Länder in Afrika und im Nahen Osten FGM verboten, trotzdem ist die weibliche Genitalverstümmelung noch weit verbreitet. Insgesamt leben schätzungsweise 200 Millionen Mädchen und Frauen mit verstümmelten Genitalien in etwa 30 Ländern.
Unter den Primär- und Sekundärfolgen sind Blutungen bis hin zum Verbluten, (aufsteigende, wie chronische) Infektionen (25-30 %) bis hin zum Verlust der Nieren oder zur Blutvergiftung und Tod (3-7 %), Verletzungen der Harnwege sowie Fistel- und Zystenbildungen. Von einem psychischen Trauma ist in jedem Fall auszugehen, abgesehen von z.T. lebenslangen chronischen Schmerzen, Miktionsstörungen, Dysmenorrhoe, sexueller Dysfunktion und Infertilität sowie Komplikationen in der Schwangerschaft bzw. während der Geburt.
Hauptsächlich verbreitet ist die Praxis im westlichen und nordöstlichen Afrika. Denn in Dschibuti, Ägypten, Guinea, Mali, Sierra Leone, Somalia und im Norden des Sudan sind etwa 90 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. Auch im Jemen, Irak, dem nördlichen Saudi-Arabien und dem südlichen Jordanien, bei Beduinen in Israel, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, bei muslimischen Gruppen in Malaysia und in Indonesien ist diese Menschenrechtsverletzung verbreitet. Aber auch in Deutschland kommen derartig widerwärtige, frauenverachtenden Beschneidungen vor … ebenso wie es hierzulande eine Rekonstruktionschirurgie gibt – z.B. bei PD Dr. med. Dan O´Dey am Luisenhospital in Aachen. Im UKGM Gießen gibt es seit 2022 eine Spezialsprechstunde unter Leitung von Dr. med. Leonie Ströbele in der Frauenklinik für von FGM betroffene Frauen und Mädchen – incl. gesondert geschultem Personal und kultursensiblen Dolmetscher/innen.