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Obwohl es bereits seit mehreren Jahrzehnten immer wieder Meldungen über neue Ansätze für Kontrazeptiva bei Männern gibt, hat es bislang kein Mittel bis zur Marktreife geschafft.
Gründe: Verhütungstechnologien werden als Angriff auf das männliche Geschlecht wahrgenommen. So gibt es einen Mangel an pharmakologischer Forschung und strenge regulatorische Hürden zur Entwicklung von Verhütungsmitteln für Männer.
(Aber auch die Zulassung der „Pille“ für die Frau wäre heute fraglich, da es sich um einen Eingriff in einen gesunden Organismus handelt.)
Es gibt einige Ansätze, wie Männer verhüten können – ganz ohne Hormone … zumindest in der Theorie.
Bislang haben es lediglich die Vasektomie und das Kondom bis zur Zulassung gebracht.
Franka Frei meint in ihrem Buch zwar: „Überfällig – Warum Verhütung auch Männersache ist“; doch nach dem Marktgang der Antibabypille ist die Verhütungsverantwortung überwiegend feminisiert worden. Dies auch, da oft Zweifel bestehen, ob Männer zuverlässig für eine Verhütung sogen und überhaupt solche neuen Mittel für mehr Verhütungsgerechtigkeit wünschen.
Trotz der vielen Nebenwirkungen ist die „Pille! neben dem Kondom noch immer das am häufigsten verwendete Verhütungsmittel in Deutschland: Knapp 60 % der jungen Erwachsenen nutzen sie als Verhütungsmethode.
Auch bei der Suche nach Verhütungsmitteln für Männer sind es die hormonellen Ansätze, die am weitesten fortgeschritten sind. Jedoch gibt es auch viele nicht hormonelle Ansätze, die als Verhütungsmethode bei Männern dienen könnten: z.B. Thermische Methoden, bei der Hoden und Nebenhoden mit verschiedenen Methoden erwärmt und die Spermatogenese (Spermienentstehung) oder die Spermienmotilität (Beweglichkeit der Spermien) gehemmt wird.
Laut Informationen des Herstellers von Hodenringen Thoreme hebt das die Hodentemperatur auf 37 °C anstelle von 35 °C an. Anwendende sollen den Ring für 15 Stunden an 7 Tagen in der Woche tragen. Der Hersteller verspricht auf seiner Website eine Effektivität von 99,5 % nach 3 Monaten. Auch eine Reversibilität sei zu 100 % gegeben. Allerdings ist der Ring erst kürzlich in eine Phase-1-Studie zur Verträglichkeit gegangen und bislang nicht als Medizinprodukt zugelassen. Thoreme verkauft es aktuell als „Dekorationsgegenstand“. Prof. Dr. med. Michael Zitzmann vom Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster warnt zudem: „Das Risiko zu entarten und ein Karzinom zu bilden ist höher, wenn der Hoden zu warm gelagert wird.“
Das deutsche Start-up Ronikja GmbH hat ein Gerät entwickelt, das die Nebenhoden über Elektroden erwärmt. Für 4 Wochen sollen die Spermien dadurch ihre Motilität verlieren. „Nach spätestens 8 Wochen der letzten Anwendung ConMaCept’s ist ‚Mann‘ wieder zeugungsfähig“, erklären die Hersteller. Doch bislang gibt es auch hier keine klinische Studie, die das belegen könnte und eine Zulassung scheint noch weit entfernt.
Ein anderer Ansatz in der klinischen Erprobung verfolgt den Weg mit einem Hydrogel das in die Samenleiter injiziert wird und diesen verschließt. Nach etwa einem Jahr soll sich das Hydrogel ADAM der Firma Contraline verflüssigen, sodass der Spermienfluss wieder gewährleistet ist. Aktuell befindet sich das Hydrogel in einer Phase-1-Studie, in der insgesamt 30 Teilnehmende rekrutiert und über 36 Monate beobachtet werden sollen.
Daten von etwas mehr Probanden gibt es bei einem anderen Hydrogel namens RISUG. Anders als ADAM löst sich dieses nicht von selbst auf. Die Verlegung der Samenleiter soll mit der Injektion von Bikarbonat beendet werden. Bislang sind Daten von 28 Probanden publiziert, bei denen die Injektion zu einer verminderten Beweglichkeit, Lebensfähigkeit und Dichte der Spermien führte. In der Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren sank die Spermienzahl in den Bereich von 0,03–4,4 Millionen Spermien/ml.
Der Androloge Leiber-Caspers weist darauf hin, dass es Aufgrund des geringen Innendurchmessers des Samenleiters schnell zu einer Vernarbung mit anschließendem dauerhaften Verschluss kommen kann. Zudem birgt auch der Verschluss der Samenleiter mittels Hydrogel, ähnlich wie bei einer Vasektomie (Sterilisation), die Gefahr von Anti-Spermien-Antikörpern mit sich, wenn die Blut-Hoden-Schranke verletzt wird und die Spermien in Kontakt mit Immunzellen gelangen.
Eine weitere, sehr experimentelle Methode stellt das Samenleiterventil dar. Auch das ist bislang nicht in Studien erprobt. Einzig und allein der Entwickler Clemens Bimek hat sich sein Produkt bisher einsetzen lassen.
„In geschlossenem Zustand werde eine Azoospermie von dem Ventil jederzeit gewährleistet“, erklärt Bimek. Diese trete, wie bei einer normalen Vasektomie, innerhalb von 3 Monaten nach dem Umschalten ein. Nach mehrmaliger Modifikation will er das 4. Modell in die klinische Prüfung bringen. Ihm zufolge kann jeder geschulte Urologe das Gerät innerhalb von 10 Minuten mit Lokalanästhesie einsetzen.
Der Androloge Prof. Zitzmann sieht in der Methode Potenzial. „Es besteht aber die Gefahr, dass sich Antikörper gegen die Spermien bilden.“ Zudem könne man nicht sicher sein, ob die Funktion der Spermien nach der Behandlung wiederhergestellt sei.
Viel Aufmerksamkeit hat ein Retinoid-Rezeptorblocker namens YCT529 erhalten, der 2022 bei dem Jahreskongress der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft (ACS) vorgestellt worden ist. Durch die Blockade des Retinsäure-Rezeptor alpha (RAR-α) reduzierte sich die Spermienzahl in männlichen Mäusen signifikant und verhinderte in fast 99 % der Fälle eine Insemination (Übertragung von Samen in den weiblichen Genitaltrakt) für einen Zeitraum von 4 Wochen und war dabei reversibel.
Dr. Leiber-Caspers zeigt sich dennoch skeptisch, was einen baldigen klinischen Nutzen dieses Mittels angeht. „Wenn etwas im Mausmodell gut funktioniert, heißt es noch nicht, dass es auch beim Menschen klappt.
Ein weiteres mögliches Kontrazeptivum für Männer ist Triptonid−Bestandteil einer chinesischen Pflanze. Nach täglicher oraler Gabe von Triptonid über mehrere Wochen waren die Spermien in Versuchen mit Mäusen und Affen deformiert und nur noch minimal oder gar nicht beweglich. Nach 4−6 Wochen ohne Gabe erlangten die Tiere wieder ihre normale Fertilität. Doch auch hier gibt es noch keine klinische Evidenz (Nachweise).
Der Androloge Leiber-Caspers sieht Mittel, die zu immotilen (unbeweglichen) Spermien führen, am ehesten als Erfolg versprechend an. „Bei unter einer Million Spermien ist die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Konzeption schon sehr gering, aber sie ist noch nicht 0.“ Will man die Zahl der Spermien jedoch weiter vermindern, könnten sich auch Nebenwirkungen weiter erhöhen. „Mit unbeweglichen Spermien lässt sich dagegen keine Konzeption hervorbringen“.
Neben diesen genannten Ansätzen gibt es viele weitere Methoden zur nicht hormonellen Kontrazeption bei Männern. Viele davon sind allerdings ebenfalls noch weit von einer klinischen Prüfung entfernt. Wann also ein Mittel auf den Markt kommt, dass auch Personen mit Spermienproduktion anwenden können, bleibt ungewiss.
Quelle: Dr. med. Mirjam Martin, Nicht hormonelle Kontrazeption beim Mann: Eine Vielzahl ungenutzter Möglichkeiten
in: Dtsch Arztebl 2023; 120(29-30): A-1266 / B-1086