Vorsicht ! – K.-O.-Tropfen

Aus aktuellem Anlass wird hier informiert und gewarnt, dass derzeit in Gießener Kneipen wieder gehäuft, Narkotika in die Getränke geschmuggelt werden.

So können Sie sich vor K.o.-Tropfen schützen

Nehmen Sie keine offenen Getränke von Fremden an beziehungsweise Flaschen nur mit Originalverschluss. Lassen Sie Getränke niemals unbeobachtet stehen. (Sie können beispielsweise im Freundeskreis vereinbaren, gegenseitig auf die Gläser aufzupassen und gemeinsam den Heimweg anzutreten.)
Bei plötzlichem Unwohlsein, Schwindel oder Enthemmung sollten Sie das Ihren Freunden mitteilen, damit diese auf Sie aufpassen und rechtzeitig ärztliche Hilfe holen können.
Wer also akute Symptome einer Vergiftung mit K.o.-Tropfen an sich bemerkt, sollte dem Personal oder mitfeiernden Freund*innen Bescheid geben, damit sich diese um ärztliche Hilfe – Krankenwagen Tel. 112 – kümmern können. Bleiben Sie also in Kontakt mit Freundinnen – auch wenn Sie auf die Toilette gehen. Außerdem zeigen den K.o.-Tropfen-Verdacht an, indem Sie frühzeitig (bevor Verletzungen, z.B. durch Stürze passieren, oder fragwürdige Hilfe Sie „in Sicherheit bringt“) die Polizei rufen.
Wer beobachtet, wie jemand einer anderen Person unbemerkt etwas ins Glas schüttet, sollte das potenzielle Opfer warnen und die Beobachtung dem (Security-)Personal oder Veranstalter*innen oder der Polizei melden.

Was sind K.-O.-Tropfen?

Der Begriff „K.-O.-Tropfen“ stammt aus dem Englischen und steht für „knock out“, was so viel wie „außer Gefecht setzen“ bedeutet. Darunter werden verschiedene Substanzen zusammengefasst, die in der Medizin oft als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Das Wirkspektrum der in K.o.-Tropfen eingesetzten Substanzen reicht je nach Dosierung und körperlicher Verfassung von Entspannung und sexueller Enthemmung bis hin zu einem komatösen Tiefschlaf und völliger Handlungsunfähigkeit.

Häufig wird die in geringer Dosierung euphorisierende, in höherer Dosierung narkotisierende Partydrogen GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure) beziehungsweise der Vorläufer GBL (Gamma-Butyrolacton) verwendet, die in der Szene als Liquid Ecstasy, Bottle, Liquid X, Fantasy, Soap, Liquid E und Gamma bekannt sind. Von Tätern (meist Männern) werden aber auch andere gängige Wirkstoffe und Mixturen aus Benzodiazepinen, Barbituraten, Ketamin oder Chloralhydrat eingesetzt, um andere Personen (vor allem Frauen) wehr- oder bewusstlos zu machen und Sexualstraftaten, Übergriffe oder Diebstahl zu begehen.

Die meisten dieser Flüssigkeiten oder Pulver sind farblos und geschmacksneutral und haben (mit 10 bis 20 minütiger Verzögerung) eine schlagartige Wirkung. Manchmal haben sie einen leicht bitteren, seifigen oder salzigen Beigeschmack, der in alkoholischen Mixgetränken wie Cocktails aber kaum wahrnehmbar ist.

Symptome von K.o.-Tropfen: GHB-Wirkung reicht von Übelkeit bis Benommenheit

Schon zehn bis zwanzig Minuten nach dem unfreiwilligen Konsum setzen meist die Symptome ein:
Plötzlich geht es einem schlecht; man fühlt sich wie betrunken – oft auch ohne reichlichen Alkoholgenuss.
Erst verspüren Betroffene Gefühle der Euphorie. Sie wirken enthemmt, reden viel und wirken für Begleitpersonen angetrunken. Doch bereits in diesem Zustand sind sie praktisch willenlos und manipulierbar.
Das anfängliche Hochgefühl kann in Übelkeit, Erbrechen und Schwindel übergehen. Oft setzt eine plötzliche Müdigkeit ein, die Betroffene in einen tiefen Schlaf fallen lässt oder bewusstlos macht. In Kombination mit Alkohol kann sich die Wirkung zudem verstärken.
Nach dem Aufwachsen haben Betroffene eine Art Kater sowie das dumpfe und unbestimmte Gefühl, „in Watte gepackt“ worden zu sein. Typisch sind außerdem Erinnerungslücken oder ein Filmriss. Betroffene wissen oft nicht mehr, wie sie nach Hause gekommen sind. Es ist vor allem die Ungewissheit darüber, was passiert ist, die stark belastend ist.
Auch Tage später leiden viele Betroffene noch an Konzentrationsstörungen und fehlender Erinnerung.
Als Nebenwirkungen von Liquid Ecstasy & Co. kann es zudem zu Muskelkrämpfen sowie Atemnot kommen. Eine Überdosierung der Drogen kann lebensgefährlich werden.

Im folgenden ein Interview mit Prof. Dr. med. Rößner von der TU-Dresden:

Herr Rößner, worunter leiden Menschen, denen K.o.-Tropfen in den Drink gemischt wurden, am meisten? Jeder Mensch reagiert auf solche Ereignisse anders, die ja auch sehr unterschiedlich abgelaufen sein und erinnert werden können. Als psychische Hauptbelastung berichten Betroffene von unguten Gefühlen des Ausgeliefertseins, des Kontrollverlusts, der Scham, der Ungewissheit und des permanenten Grübelns.

Welche Folgen hat das für die Psyche?
Schlaflosigkeit oder Konzentrationsprobleme, gedrückte Stimmung, Appetitmangel bis hin zum Vollbild einer Depression. Andere, alternative oder zusätzliche Folgen dieser Gefühle passen eher zur Diagnosegruppe der Angststörungen, also zum Beispiel Angstsymptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Vermeidung von bestimmten Situationen. Je nach Bewertung oder tatsächlicher Schwere der Ereignisse und Folgen kann sich auch eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Eine solche Reaktion auf traumatisierende Ereignisse wird in Schockphase, Einwirkungsphase und Erholungsphase eingeteilt, um zumindest eine gewisse Vorhersage typischer Reaktionsmuster zu haben.

Wie lange dauert die Schockphase?
Sie kann von einer Stunde bis zu einer Woche dauern. Geschädigte zeigen Verwirrtheit, Unfähigkeit, sich an wichtige Daten zu erinnern, zum Beispiel an die eigene Telefonnummer. Im akuten Schockzustand gibt es vegetative Symptome wie bleiche Hautfarbe, beschleunigte und flache Atmung, die Betroffenen haben einen benommenen Blick, manchmal glauben sie, sich an einem anderen Ort zu befinden.

Was geschieht danach?
Dann beginnt die Einwirkungsphase, die bis zu zwei Wochen anhalten kann. Die stärkste Erregung ist zwar abgeklungen, die Betroffenen sind jedoch innerlich von den Ereignissen total in Anspruch genommen. Immer wieder müssen sie von den Vorfällen berichten oder über Details nachgrübeln. Starke Selbstzweifel, Gefühle von Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht können auftreten. Alternativ oder im Wechsel damit können Wutanfälle und heftige Anklagen gegen mögliche Verursacher oder ungeeignete Helfer auftreten, berechtigt oder nicht. An vegetativen Symptomen können in dieser Zeit Einschlafstörungen, Übererregbarkeit, Überwachheit, erhöhte Schreckhaftigkeit, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Alpträume und Nachhallerinnerungen vom traumatischen Ereignis auftreten.

Wann fangen die Betroffenen an, sich von ihrem Trauma zu erholen?
Meist nach zwei, manchmal erst nach vier Wochen. Dann lässt die Dauererregung nach. Nicht jeder Gedanke an das traumatische Ereignis löst erneut heftige Reaktionen aus, das Interesse am normalen Leben und anderen Personen kehrt wieder. Noch immer ist das traumatische Ereignis von zentraler Bedeutung. Es kann noch lange dauern, bis die Sicht auf die Welt und das Selbstverständnis der Person so stabil geworden sind, dass das traumatische Ereignis darin einbezogen werden kann.

Was würden Sie ihnen zur Aufarbeitung des Geschehenen empfehlen?
Fälle in denen es keinen Verdacht auf „unschöne“ Ereignisse unter den K.o.-Tropfen, oder ein paar oder etliche Hinweise darauf gibt, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Reaktionen und Folgen. Im besten Fall gibt es keinerlei Verdacht und der Betroffene kann das Ereignis abtun unter dem Motto: „Mehr will ich gar nicht wissen und mich damit belasten“. Gibt es allerdings mehr oder weniger deutliche Hinweise auf „übergriffiges Verhalten“ und die eigenen Kräfte zur Selbstheilung versagen, gilt es diese zu unterstützen. Wir machen dafür die Betroffenen mit dem natürlichen Traumaverlauf, möglichen Symptomen, Folgen für den Alltag und Behandlungsmöglichkeiten vertraut. Das nennen wir Psychoedukation.
Zusätzlich gibt es unterschiedlichste Vorgehensweisen, die psychotherapeutische Techniken und Psychopharmakologie enthalten können. An erster Stelle steht hier die Vermittlung von Sicherheit und einer stabilen Patienten-Therapeuten-Beziehung, bevor Weiteres eingesetzt wird.

Nachweis von GHB: Richtiges Verhalten bei Verdacht auf K.o.-Tropfen

Wenn die Vermutung, mit K.o.-Tropfen vergiftet worden zu sein, im Nachhinein auftritt, sollte so rasch wie möglich ein*e Arzt*Ärztin zum Beispiel im Krankenhaus aufgesucht werden. Durch Urin- und Blutproben lassen sich die Mittel nachweisen – je nach Substanz manchmal aber nur wenige Stunden lang. Im Urin bleiben die Drogen dabei in der Regel länger (rund zwölf Stunden) nachweisbar als im Blut (bis zu sechs Stunden). Man kann den Urin auch in einem sauberen Behälter im Kühlschrank aufbewahren, bis er im Labor untersucht werden kann.
Auch Verletzungen im Intimbereich, an deren Ursache man sich nicht erinnern kann, sollten schnellstmöglich ärztlich abgeklärt, dokumentiert und behandelt werden. Wer einen sexuellen Missbrauch oder eine Vergewaltigung anzeigt, wird in der Regel direkt an eine*n Gynäkolog*in/Proktolog*in weitervermittelt, damit Spermaspuren gesichert und wenn nötig eine HIV-Behandlung eingeleitet werden kann. Vor der Untersuchung sollten Opfer deshalb möglichst nicht duschen und ihre getragene Kleidung nicht waschen.

Quellen: Sachsische.de und Sarah Baumann, Medizinredakteurin und Biologin | Miriam Müller, Medizinredakteurin
Fotos: TU Dresden
Wikipedia

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