Spannungs-, Erregungs- und Angstzustände müssen nicht immer medikamentös behandelt werden.
Wenn die Angst Ausdruck einer Grunderkrankung ist, z.B. einer Depression, kann das Symptom durch Maßnahmen beeinflusst werden, die sich gegen die Grunderkrankung richten.
Auch der gleichzeitige Einsatz von psychotherapeutischen Verfahren und Medikamenten ist eine akzeptierte Behandlungsweise.
Die Behandlung von Angststörungen mit Medikamenten bedeutet in aller Regel, die Mittel für ein Jahr oder länger einzunehmen, um Rückfälle zu vermeiden.
Bei einem akuten Angstanfall können schnell, zuverlässig und in ihrer Wirkung mittellang anhaltend wirkendes Benzodiazepin eingesetzt werden: Alprazolam, Bromazepam, Lorazepam und Oxazepam.
Andere Benzodiazepine wie Clobazam, Diazepam, Dikaliumclorazepat, Medazepam und Prazepam gelten bei Angststörungen nur „mit Einschränkung geeignet“. Ihre Wirkung setzt zwar schnell ein, hält aber 50 bis 100 Stunden an. Daher ist über Tage hinweg mit einer anhaltenden Beeinträchtigung zu rechnen, durch die sich besonders bei älteren Menschen die Unfallgefahr erhöht.
Insgesamt verbietet sich eine länger dauernde Behandlung mit diesen Mitteln, da sie nach wenigen Wochen zur Abhängigkeit führen und Risiken wie eine eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit sowie ein erhöhtes Risiko für Stürze zu beachten sind. Ohne triftigen Grund sollen diese Medikamente nicht länger als zwei Wochen ununterbrochen eingenommen werden.
Bei schweren Angststörungen kann Benzodiazepin in den ersten Tagen eingesetzt werden, um die Zeit (2 – 4 Wochen) zu überbrücken, bis Medikamente bei denen keine Abhängigkeitsproblematik besteht, die also bei Angststörungen langfristig eingenommen werden können, ihre volle Wirkung entfalten.
Dafür kommen dann Medikamente in Frage, die auch bei Depressionen eingesetzt werden.
Für die Behandlung einer generalisierten Angststörung sind
aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva: Clomipramin und Doxepin,
aus der Gruppe der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer: Citalopram, Eszitalopram, Paroxetin und Sertalin zugelassen sowie
die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer: Duloxetin und Venlafaxin.
Diese Wirkstoffe können die Symptome einer Angststörung nachweislich abschwächen.
Sie unterscheiden sich voneinander lediglich in ihren unerwünschten Nebenwirkungen und den Wechselwirkungen mit anderen, gleichzeitig angewendeten Medikamenten.
Doxepin z.B., wenn die Angststörung mit verstärkter Unruhe und Schlaflosigkeit einhergeht, wird als „mit Einschränkung geeignet“ bewertet, weil es deutlich dämpfend wirkt und eine Reihe unerwünschter Wirkungen mit sich bringen kann. ,
Auch Opipramol, das in Praxen viel eingesetzt wird, gilt nur als „mit Einschränkung geeignet“, da die Hinweise auf eine therapeutische Wirksamkeit nur auf wenigen Studien basieren.
Lösungen bieten Medikamente hier nicht, da die Symptome – die letztlich wichtige Korrekturhinweise des Körpers sind – unterdrückt werden. Das Symptom Angst ist nicht das Problem, so wie es scheint. Wirklich problematisch und veränderungsbedürftig sind die Bedingungen, die das Hervorbringen der Symptomatik erforderlich machen, damit wir spüren und korrigieren können. Diese Bedingungen, Bedürfnisse, unerledigten Themen sind zu ergründen und zu bearbeiten. Sind die Störungen beseitigt, wird das Symptom überflüssig.
Quellen
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Stand der Literatur: 07.04.2020