Globaler Temperaturanstieg – Beeinträchtigung der Golfstroms – Starkregenereignissen – Überflutungen – Erdrutsche – Hitzewellen – Dürren – Wasserknappheit – Lebensmittelknappheit – soziale Unruhen – neue Krankheiten – Waldbrände – Zunahme von Ozeanversauerung – Anstieg des Meeresspiegels – usw.
In den 1950er Jahren erlebte ich als Kind, wie nach einem Wolkenbruch irgendwo oberhalb des Flusslaufes, an dem unser Haus lag – zwar nach Vorwarnung, dann aber doch schneller und höher, als man es sich vorstellen konnte – Wassermassen durch die geschlossene Haustür und Fenster drangen und die erste Etage des Hauses bis zur Hälfte unter brauner Brühe verschwinden ließ. Vor dem Fenster sahen wir Misthaufen mit Hühnern obenauf durch die Straßen treiben.
Seit 1950 ist die Anzahl der Hitzetage mit einer Temperatur von mehr als 30 Grad Celsius im Mittel um 11,4 Tage gestiegen – mit weiterem Anstieg ist zu rechnen.
In den 1970er Jahren konnte ich hier in Biebertal im Winter noch mit den Langlaufskiern von der Haustüre aus zu Erkundungstouren in die Umgebung aufbrechen.
In den 2020er Jahren blühen im Januar die Haselsträucher und ärgern die Allergiker und schon heute fordern Hitzewellen im Sommer in Deutschland viele Tausend Opfer pro Jahr.
Hitze – vielen nicht bewusst – kann eine tödliche Gefahr sein
Wärmedämmung der Häuser, Beschattung und Begrünung, Belüftung, Bäume, Wasserspiele, wie auch die Beseitigung von Wärmeinseln in den Ortschaften, Veränderungen im Energie- und Transportsektor, sogar Angebote von kühlen öffentlichen Räumen werden in Zukunft wichtig werden.
Vor allem aber ist die Reduzierung der Treibhausgase dringend geboten, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Durch den Klimawandel steigt die Zahl der Extremwetterereignisse.
Während es in den 1970er-Jahren noch durchschnittlich 711 dieser Ereignisse pro Jahr gab, waren es in den 2010er Jahren im Durchschnitt bereits 3.165.
An den Folgen des Extremwetters starben zwischen 1970 und 2019 weltweit mehr als Zweimillionen Menschen – 90 % von ihnen in Entwicklungsländern.
Doch auch in Deutschland steigt die Zahl der Hitzetoten; zwischen 2000 und 2004 pro Jahr im Durchschnitt 8.340 Menschen über 65 Jahren; 2018 waren es 20.200.
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung gab es vergleichsweise 2018 nirgends mehr Hitzetote als in Deutschland.
Das liegt zum einen daran, dass es hierzulande aufgrund der demographischen Entwicklung besonders viele klimaverletzliche Menschen gibt und viele in Städten leben. Zum anderen ist in Deutschland die Temperatur seit der vorindustriellen Zeit stärker gestiegen als im Rest der Welt.
Einer Untersuchung des Deutschen Wetterdienstes zufolge erhöhte sich bis 2019 hier in Deutschland die Durchschnittstemperatur um 1,6 Grad Celsius, während sie im weltweiten Durchschnitt um 1.0 Grad Celsius angestiegen ist.
Dadurch nahm auch die Zahl der heißen und sehr heißen Tage stärker zu.
Ab 30 Grad Celsius besteht die Gefahr zu kollabieren. besonders kritisch wird es ab 35 Grad und schwüler Hitze in der Nacht. Schnell kann es da zu Elektrolytstörungen kommen, insbes. wenn zu wenig getrunken wird.
Allergien, Krebsleiden, Erkrankungen der Lunge, Niere oder des Herz-Kreislauf-Systems: Die Auswirkungen des Klimawandels umfassen alle Gesundheitsbereiche.
Im kürzlich veröffentlichten Sachstandsbericht „Auswirkungen des Klimawandels auf nicht-übertragbare Erkrankungen und die psychische Gesundheit“ beleuchten mehr als 90 Autorinnen und Autoren, wie sich Hitze, UV-Strahlungen und Extremwetterereignisse auf die Menschen auswirken. Zudem erörtern sie, wie die aktuellen und zu erwartenden klimatischen Veränderungen allergische Erkrankungen, Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe sowie die psychische Gesundheit kurz- und langfristig beeinflussen. Der unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) entstandene Bericht umfasst sechs verschiedene Fokusthemen.
Hitze ist in Deutschland die größte klimatische Bedrohung für die Gesundheit, auch wenn darüber hinaus Gefahren von anderen Extremwetterereignissen wie Starkregen, Überschwemmungen oder Waldbränden ausgehen. In den Handlungsempfehlungen werden unter anderem Hitzeaktionspläne der Kommunen gefordert.
Hitzewellen haben vor allem negative Auswirkungen auf die Gesundheit von älteren Menschen und von Menschen mit Vorerkrankungen, insbes. des Herz-Kreislaus-Systems, der Lungen, der Nieren, der Psyche, mit Diabetes sowie Menschen mit Infektionskrankheiten, bei Menschen, die bettlägerig oder schwanger sind, für Säugling, Kinder, Demente und Menschen, die in prekären Verhältnissen leben und oft geringe Möglichkeiten zur Klimaregulation haben, die draußen arbeiten oder Obdachlos sind.
Wer Medikamente einnimmt, der muss die Dosierungen vom Arzt anpassen lassen, da die Nebenwirkungen von Medikamenten sich bei Hitze ändern. So könne etwa der Effekt von Bluthochdruckmittel durch hitzebedingte Gefäßerweiterung verstärkt werden und zu Synkopen (= plötzliche, kurzzeitige Ohnmacht infolge einer Störung der Gehirndurchblutung) mit möglicherweise schweren Verletzungen führen. Aber auch bei weiteren Medikamenten (u.a. Antiepileptika oder Insuline) können sich die Nebenwirkungen durch Hitze verstärken.
Auch UV-Strahlung und die Luftschadstoffbelastung müssen Teil eines Hitzeschutzplans sein und in Frühwarnsysteme integriert werden. Denn Hautkrebserkrankungen steigen seit Jahrzehnten an.
Auswirkungen auf Gehirn und Psyche
Stress, Traumata, Angstzustände, Depressionen werden vermutlich häufiger zu beobachten sein. Suizidraten steigen bei Hitze! Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass der plötzliche Temperaturanstieg zu einer Überaktivation mentaler Prozesse, auch dysfunktionaler, führt und diese dann ausagiert werden. Eine andere eventuelle Ursache sei der Einfluss auf den Serotoninhaushalt, der mit einer Dysregulation des limbischen Systems und vermehrtem (auto)aggressiven und impulsiven Verhalten assoziiert sei. Daneben sei eine zunehmende Anzahl an Menschen durch das Wissen um den Klimawandel und seine Folgen so belastet, dass es zu behandlungsbedürftigen Symptomen, meist im Sinne von Ängsten oder Depressionen, komme.
Es besteht der Verdacht, dass Schadstoffe wie Methan, Ruß, bodennahes Ozon, Schwefelarerosole in der Luft Alzheimererkrankungen auslösen können.
Methan und Ruß tragen zudem neben CO² zum Klimawandel bei.
Auswirkungen auf Herz und Kreislauf
Längere und stärkere Hitzeperioden sorgen vermehrt für körperliche Belastungen – vor allem bei Kindern, älteren und kranken Menschen.
Hitzewellen, Dürren und Waldbrände erhöhen den Ozon- und Schadstoffanteil in der Luft. Das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko steigt, die erhöhten Temperaturen steigern das Risiko, an Bluthochdruck zu leiden.
Auswirkungen auf Haut und Atemwege
Der erhöhte Anteil an Ozon- und Schadstoffanteil in der Luft, verursacht durch Hitzewellen, Dürren, Bodenabtrag und Waldbrände, belasten die Atemwege. Das Risiko für Atemwegserkrankungen wie Asthma und Nasennebenhöhlenerkrankungen steigt. Zwar ist die Wechselwirkung zwischen Lufttemperaturen und Luftschadstoffen sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit noch nicht ausreichend erforscht, dennoch ist davon auszugehen, dass Perioden mit erhöhter Konzentration von Luftschadstoffen zunehmen werden.
Auch das Phänomen des sogenannten Gewitterasthmas könnte sich verstärken. Bei Menschen mit Heuschnupfen und allergischem Asthma können dann schwere Asthmaanfälle auftreten.
Eingewanderte Pflanzen verursachen neue Allergien. Höhere Temperaturen und CO²-Konzentrationen verlängern die Pollensaison, erhöhen die Pollenkonzentration und führen ganzjährig zu Allergiesymptomen.
Auswirkungen auf Magen, Darm und Stoffwechsel
Extreme Wetterereignisse und steigende Temperaturen sowie Pflanzenschädlinge führen zu Ernteausfällen.
Durch steigende Wassertemperaturen und die Ozeanversauerung verringern sich die Erträge aus Fischerei, Aquakulturen wie auch in der Landwirtschaft.
Es treten vermehrt Durchfallerkrankungen, z.B. durch Vibriobakterien und verunreinigtes Wasser auf.
Unterversorgung mit Trinkwasser bei Hitze kann zu akutem Nierenversagen führen.
Es besteht der Verdacht, dass Temperaturerhöhungen vermehrt Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes hervorrufen.
Auswirkungen auf Infektionsgeschehen
Durch den Anstieg der Temperatur und extreme Wetterereignisse verschieben sich ganze Ökosysteme. Erreger von Infektionskrankheiten wie Malaria, Borreliose oder Denguefieber können sich in neue Regionen ausbreiten; sogenannte zoologische Vektoren wie die Tiegermücke sind in der Lage Viren als Erreger von Zika-, Chikungunya- West-Nil- und Dengue-Erkrankungen zu übertragen.
Quellen: Deutsches Ärzteblatt Jg. 119, Heft 5, 4.2.2022, S. 162-164, von Falk Osterloh: Schutz vor Hitze
Hessisches Ärzteblatt, 5/2022/ S. 297 – Nachdruck aus „Der Allgemeinarzt“ 2022/44(4)/ S. 51-53; online
Dtsch Arztebl 2023; 120(38): A-1512 / B-1299, Dr. Mirjam Martin, Klimakrise und nicht übertragbare Erkrankungen: Gesundheit vielseitig bedroht
Fotos: Lindemann, Renell