Wachstumskurven des Gehirns

Quelle: Ärzteblatt.de, Donnerstag, 7. April 2022

Ein internationales Forscherteam um die Hirnforscher Jakob Seidlitz von der Universität von Pennsylvania und Richard Bethlehem von der Universität Cambridge hat erstmals Wachstumstabel­len für das Gehirn erstellt und in der Fachzeitschrift Nature (2022; DOI: 10.1038/s41586-022-04554-y) vorgestellt.
Sie haben dazu Forscher in aller Welt angeschrieben und um die Daten von Magnetresonanztomografien (MRT) gebeten, die in Studien zu anderen Zwecken durchgeführt worden waren. Bisher sind 123.984 MRT-Scans aus mehr als 100 Primärstudien von 101.457 Teilnehmern zusammengekommen. Sie umfassen den Zeitraum zwischen der fetalen Zeit (dem 115. Tag nach der Befruchtung) bis zum Alter von 100 Jahren.

Wachstumstabellen, die erstmals Ende des 18. Jahrhunderts für Körpergröße, Gewicht und Kopfumfang erstellt wurden, sind noch immer ein wichtiges Instrument für die Beurteilung der kindlichen Entwick­lung.

Für das Gehirn gab es bisher keine entsprechenden Kurven, obwohl bekannt ist, dass das Hirnvolumen und die Zusammensetzung aus weißer Substanz (Nervenbahnen) und grauer Substanz (Hirnzellen) bis ins frühe Erwachsenenalter zunimmt. Danach setzt ein allmählicher Rückgang ein, der sich im höheren Alter zu einer „Hirnatrophie“ beschleunigen kann. Auch Erkrankungen wie der Morbus Alzheimer können das Hirnvolumen verkleinern. Bisher fehlten allerdings genaue Angaben zur durchschnittlichen altersentsprechenden Hirngröße.

Die Wachstumskurven des Gehirns zeigen, dass das Volumen der grauen Substanz (Hirnzellen) ab der Mitte der Schwangerschaft schnell zunimmt und kurz vor dem sechsten Lebensjahr seinen Höhepunkt erreicht. Dann setzt ein langsamer Rückgang ein.

Auch das Volumen der weißen Substanz (Gehirnverbindungen) nahm ebenfalls von der Mitte der Schwan­gerschaft bis in die frühe Kindheit schnell zu. Das Wachstum hält über das Jugendalter an und erreicht kurz vor dem 29. Lebensjahr seinen Höhepunkt. Danach nimmt das Volumen der weißen Sub­stanz wieder ab. Der Rückgang beschleunigt sich etwa ab dem 50. Lebensjahr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert