Wechselwirkungen zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen

Bei körperlichen Erkrankungen können Patienten psychische Komorbiditäten (Miterkrankung) entwickeln, und umgekehrt. Das ist durch verschiedenen Studien mittlerweile sehr gut belegt.
Bei chronischen somatischen Erkrankungen liegt die Wahrscheinlichkeit binnen eines Jahres auch psychische Symptome zu entwickeln bei 9 %.
Sehr häufig ( 31-45 %) von psychischen Komplikationen (insbesondere depressiven Reaktionen) betroffen sind Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung, wobei 15-20 % die Kriterien einer Depression erfüllen.
Gleichzeitig beeinflusst die Depression das Risiko nach einem Herzinfarkt zu versterben.
Depressive Begleitsymptome finden sich auch in 16 % der Fälle bei chronischen Darmerkrankungen,
in ca. 12 % bei Tumorerkrankungen, 13 % bei Atemwegserkrankungen, 10 % bei rheumatologischen Erkrankungen. Eine weitere Gruppe, die sehr häufig unter psychischen Symptomen leidet, sind Patienten mit Erkrankungen der endokrinen Drüsen; z.B. bei Morbus Cushing in 50-80 %. Die hormonelle Dysregulation führt dabei zu Symptomen wie Schlaf- und Gedächtnisstörungen, Ängsten, Depression, Wesensveränderung oder auch zu psychotischen Symptomen.

Die Lebensqualität kann bei derartigen Erkrankungen, auch bei angemessener Behandlung, noch über längere Zeit beeinträchtigt sein, insbesondere wenn hormonelle Faktoren einer Rolle spielen.
Umgekehrt konnte gezeigt werden dass Patienten mit einer Depression ein um das Risiko einer körperlichen Einschränkung 1,8-fach erhöht ist, das Risiko für soziale Einschränkungen gar um das 2,3-Fache.
Psychische Symptome schränken nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen und deren Familien ein, sondern können auch für Probleme bei der Krankheitsverarbeitung und -akzeptanz sorgen. In der Folge hängen damit dann wieder Komplikationen bei den körperlichen Krankheitsverläufen zusammen.
z.B. beeinflussen sich Diabetes mellitus Typ 2 und Depression in beide Richtungen: häufig übergewichtige zuckerkranke Erwachsene dieses Typs haben ein doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken, während das Risiko, dass depressive Patienten an einen relativen Insulinmangel zu leiden beginnen, um 37 % erhöht ist. Zudem ist hier die Einstellung der Blutzuckerwerte oft erschwert, da diese doppelerkrankten Patienten oft unter Schlafstörungen leiden, oft schlechte Essgewohnheiten pflegen und sich zu wenig bewegen und sich dennoch zu erschöpft fühlen, um ihre Therapie einzuhalten.

All das hängt mit einer engen biologischen Verzahnung von Körper und Psyche zusammen, wobei z.B. entzündliche Prozesse im Körper eine Immunantwort im Gehirn erzeugen. Das führt einerseits zu unspezifischen psychischen Symptomen wie kognitiven Problemen, Fatigue und Stimmungsschwankungen. Allgemein spielt Stress dabei eine große Rolle, weil er nicht nur über das Hormonsystem, sondern auch über die Stimulation von Entzündungs-mediatoren (Botenstoffen) und über das Mikrobiom des Darmes das Wachstum bestimmter Keime fördert, was wiederum zur vermehrten Bildung von Neurotransmittern beiträgt, die die Stimmung beeinflussen.

Quelle: MMW Fortschr. Med. 2020; 162 (17): PD Dr. med. Heike Künzel, München, Zusammenhänge zwischen Depression und internistischen Erkrankungen, S. 44-47


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