Wie wirksam sind Psychotherapien?

Zu diesem Thema findet sich in Zeitfragen ein im Deutschlandfunkt Kultur ein Beitrag von Tim Wiese, vom 12.04.2018, der mich zu diesem Artikel anregte:

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(imago stock&people)

Etwa 30 % der Deutschen leiden unter psychischen Problemen.
Themen sind da unter anderem Traumata, Trauer, Wut, Ängste, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Partnerschaftsprobleme, Stress, Schlafstörungen, körperliche Erkrankungen, Veränderungen, Zwänge usw.
Nur ein kleiner Teil begibt sich in Therapie – obwohl es für solche Erkrankte – auch schwere – wirksame Therapien gibt.
Aber meist ist es langwierig und kompliziert, die richtige Hilfe zu finden …
– zum Teil, weil das noch immer ein stigmatisiertes Thema ist und niemand für „verrückt“ gehalten werden möchte – zum Teil, weil vielfach überhaupt nicht klar ist, an wen man sich denn bei psychischen Problemen wenden sollte (Begriffs-Entwirrungen scheinen notwenig) – zum Teil, da schlicht keine Plätze bei (kassenzugelassenen) Psychotherapeuten verfügbar sind bzw. lange Wartezeiten auszuhalten sind, gerade wo eben jetzt gerade ein Problem akut ist.
Aber auch nicht jeder benötigt eine fachliche Behandlung, z.B. weil auch im eigenen System und Umfeld genügend Resilienzkräfte vorhanden sind.

Welchen Anteil Psychotherapie an Verbesserung oder Verschlechterung der Symptome hat, wird gerade mit dem Thema Qualitätskontrolle bei Psychotherapien stärker erforscht.
Denn es gibt viele verschiedene methodisch Ansätze zur Behandlung und auch nicht alle Methoden oder Menschen passen gut zusammen. Aber auch nicht allgemeine Leitlinien passen immer zu den sehr individuellen Menschen.

Es bedarf in diesem Fortbildungsprozess, den man landläufig Psychotherapie nennet, oft viel mehr Geduld, als anfangs erwartet, um tief verwurzelte Reaktionsmuster zu verändern und ein wirklich begreifendes Verständnis für das eigene Tun und seine (zum Teil unbewussten) Motive zu entwickeln – aber auch, um sich gegen eine Umwelt, die Veränderungen gegenüber oft nicht freundlich gesonnen ist (da sie sich dann auch verändern müssen) durchzusetzen. So kann es sein, dass Psychotherapien Patienten noch ein zweites Mal viel abverlangen und manchmal ist ein Leidensweg dabei viel zu lang.
Kontinuierliche Verbesserungen auch auf Seiten der TherapeutInnen sind daher wichtig. Andererseits sein die ökonomischen Interessen auf Seiten der Krankenkassen und der von dieser Seite permanent erzeugte Zeitdrück meist nicht hilfreich, wenn es um die Gestaltung eines sicheren Rahmen geht, der eine notwendige Bedingung für das Zulassen von Veränderungen ist, die Mut erfordern.

Welche Rolle spielen die Gene und andere körperliche Auswirkungen?

Prof. Martin Keck vom Max -Planck-Institut für Psychiatrie.“ München forscht, neben anderen daran, welche
Therapieform welchem Patienten hilft und was sich dabei an biologischen Vorgängen verändert. Zum Beispiel wird untersucht, welche Gene werden an- oder ausgeschaltet werden, was im Immunsystem geschieht, wie sich Entzündungszellen verändern, die z.B. bei einer Depression eine Rolle spielen, oder wie neue Nervenzellverbindungen entstehen. Denn es bedeutet Lernen, wenn sich Nervenzellverbindungen neu bilden und oder verstärken.
Das alles geschieht natürlich im Leben, also auch während einer Psychotherapie, denn es ist ein Lernvorgang. Psychotherapie möchte unterstützen, krankmachendes Verhalten günstig zu beeinflussen, schädliches oder nicht sinnvolle Verhaltensmuster zu überschrieben.

Die strukturelle Veränderungen im Gehirn lassen sich u.a. durch moderne Bildgebungsverfahren darstellen.
Das kann das („Lehr“-)Gespräch mit den Patienten nicht ersetzen, aber die Effekte davon können nun diagnostisch durch messbare, aussagekräftige Parameter objektiviert werden.
Bisher müssen sich Patienten auf die Erfahrung ihrer Behandler verlassen und die Therapeuten sind fast ausschließlich auf die Schilderungen der Hilfesuchenden angewiesen.

Therapie mit „Nebenwirkungen

Jeder Patient möchte verstehen, warum stößt mir das zu und anderen nicht? Und da sehen sie die Individualität der Krankheitsentstehung und es ist wichtig, dass ein Patient dann auch ein Modell hat, an dem er nachvollziehen kann: Das sind bei mir Faktoren, die das begünstigt haben; möglicherweise ungünstige Lebensumstände, möglicherweise Fehleinschätzungen z.B. weil mir als Kind Informationen fehlten oder ungünstige Erklärungsmöglichkeiten angeboten wurden.
Es kann daher sein, dass zu Beginn der Therapie erst einmal eine Verschlechterung des Befindens oder eine Verstärkung von Symptomen eintritt, weil plötzlich bestimmte Probleme thematisiert werden dürfen. Das kann zum Teil heftige Emotionen auslösen und Angst machen.
Insbesondere die frühen prägenden Erfahrungen in der Kindheit sind oft nicht bewusst, verdrängt oder unterliegen tabuisierenden Verschönerungen im eigenen Selbstbild. Das Anschauen und Aussprechen der Realität, das Aufgeben von Illusionen, führt dann allmählich dazu, dass die Basis auf der man sich sieht tragfähiger wird und eine deutliche Besserung des Befindens spürbar wird.

Eva-Lotta Brakemeier, Psychologin und Professorin an der Philipps-Universität Marburg, z.B. forscht zu Wirkungen und Nebenwirkungen, die mit Psychotherapien einhergehen. Denn genau wie bei Medikamenten kann es zu unerwünschte Effekten kommen, die durch die Behandlung verursacht werden. Eine zeitweise Verschlechterung gehört dazu.
Eva-Lotta Brakemeier: „Es ist wichtig, Patienten auf solche Entwicklungen vorzubereiten, die aber letztlich langfristig mit der Wirksamkeit der Zusammenarbeit zusammenhängen. Insbesondere in Fällen, gerade bei chronischen Patienten, Patienten mit schwierigen frühen Beziehungserfahrungen, kann es wichtig sein, noch einmal tief in die Kindheit einzusteigen, um sie dann langfristig auch aus dieser chronifizierten Störung rauszubringen.“

In der Studie von Eva- Lotta Brakemeier berichteten 93 Prozent der befragten Patienten von unerwünschten Begleiterscheinungen: seien es eine kurzfristige Verschlechterung, Konflikte mit Teammitgliedern oder Mitpatienten oder Trennungen nach der Therapie.
Wenn jemand allerdings in Folge der Erkenntnisse und Ermutigungen in der Therapie selbstbewusster oder „frecher“ / forscher auftritt, sich das Verhältnis zu Partner und Mitmenschen verändert und das dem Umfeld nicht gefällt, so ist dies eher eine erwünschte Wirkung denn eine unangenehme Nebenwirkung.

Wichtig ist, mit den Gesprächspartnern – also vor allem auch in der Therapie – über diese Dinge und Beobachtungen zu sprechen, so dass die Beteiligten dann schauen können, wie Sie am besten damit umgehen.

Von Nebenwirkungen sprechen Wissenschaftler allerdings nur, wenn die Psychotherapie korrekt durchgeführt wurde. Demgegenüber stehen Behandlungsfehler, also wenn Therapeuten falsche Diagnosen stellen, falsche Techniken anwenden oder sich unethisch verhalten.
Auch das kann zu dramatischen Verschlechterungen führen und darf von Seiten der Patienten nicht hingenommen werden.
Die Zeitschrift „Stern“ z.B. berichtete: Woran Patienten schlechte Therapeuten erkennen.
Im Zweifelsfall kann man sich an den Ethikverein wenden. Dort werden Menschen beraten, die sich falsch behandelt fühlen.

Wirksamkeit von Psychotherapien

Psychotherapien bewirken in der Regel einen lebenslangen Profit für die Teilnehmer. Doch bei etwa 30 bis 40 % der Patienten tritt durch eine Psychotherapie keine Verbesserung ein, das zeigen mehrere Studien.
Die Wissenschaft spricht hier von sogenannten Non Respondern.
Die Kombination verschiedener Methoden könnte eine mögliche Lösung sein.
Das bedeutet, dass die Patienten nicht nur reden, sondern auch wirklich arbeiten, konkrete Strategien entwickeln und neue Erfahrungen machen, die Perspektiven wechseln lernen. Wichtig ist es, wirkliche Hilfe zur Selbsthilfe im Alltag zu erleben und zu implementieren oder auch zu wissen, was Warnzeichen sind, die der Körper frühzeitig organisiert, um nicht erneut in eine Krise zu kommen.
Die Realitätsprüfung von Gedanken und Erwartungen wie auch punktuelle Situationsanalysen oder Aktivitätsunterbrechungen sind in vielen Situationen hilfreiche Verbündete – ebenso wie konstruktives Feedback aus der Umgebung.

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