Immer wieder höre ich in meiner Praxis von Paaren, dass man „sich auseinandergelebt“ habe, dass Partner
„die Liebe und das Begehren, das Interesse aneinander verloren„, „das Reden miteinander verlernt“ hätte … usw.
Das ursprüngliche Interesse aneinander und an Erkenntnis (wie im Bild von L. Cranach) hat sich zu einer formalen wie inhaltlichen, scheinbar (also innerhalb der gewohnten Denkmuster) unlösbaren, Sender- Empfänger-Problematik entwickelt.
Dabei wird oft betont, dass das Paar in der Außenwirkung als ideales Team und gut funktionierend beschrieben wird.
Doch in der eigenen Wahrnehmung wurde ein Partner oder beide vom Alltag aufgefressen, so dass das Paar – die Basis einer Familie – sich aus den Augen verloren hat; dass der Boden auf dem sich etwas entwickeln könnte, nicht mehr gepflegt wurde.
Interessant ist da, dass die Paare auf die Frage, wie viel Zeit sie sich füreinander und für die Pflege der Beziehung nehmen, meist still werden und ins Grübeln kommen.
Wie oft über wesentliches gesprochen wird – also über das, was die Partner gerade zutiefst bewegt und interessiert, was sie sich wünschen und nicht: wer wann die Kinder abholt, einkauft oder welcher Ärger am Arbeitsplatz gerade akut ist -, dazu haben Wissenschaftler durchschnittliche Zeiten vom 2-5 Minuten / Tag erhoben.
Solche „Quickies“ können natürlich kein zufriedenstellendes Miteinander organisieren, geschweige denn, dass solche Ergebnisse keine Zeit für Annäherung und das Wecken von Interesse erzeugen oder gar für berührende Begegnungen erschaffen können.
Entsprechend wird so auch immer weniger an Bindungshormonen ausgeschüttet; ebenso wie auch die Gemeinsamkeiten und das Kennen des Gegenübers und seiner Lebenswelt kontinuierlich abnehmen. Da wundert es nicht, dass kaum noch Raum für ein „einander Erkennen“ mehr da sein kann.
Dieses „Erkennen“ bezieht sich also einerseits auf Kenntnis und Teilhabe, wie es sich andererseits – schon in
Bibeltexten – auf die Verherrlichung des Einssein in der Liebe und in der Sexualität bezieht.
Paare sollten sich also mindestens einmal pro Woche zu einer Stunde Zeit zu Zweit verabreden und miteinander schweigen, reden, sich nähe sein.
Denn eine Beziehung lebt sich nicht von allein.
Es passiert auch nichts, wenn niemand etwas tut oder sich zuständig fühlt, vom anderen erwartet!
Übrigens: Verabreden hilft Verbindlichkeit zu erzeugen: Dies ist ein wichtiger Termin – hinter dem stehen andere selbstredend zurück. Klappt es einmal nicht, sorgt der dafür Verantwortliche für einen Ersatztermin.
Gibt es Probleme z.B. schon mit dem Termin, ist das ein wichtiges Gesprächsthema, das in seiner Bedeutung wie in seinen (aktuellen wie früheren) Hintergründen ergründet werden sollte.
Im folgenden finden Sie einige bewährte
Regeln im Zwiegespräch.
Die gelten für Gespräche mit Partner/in, sind aber auch im Miteinander mit Arbeitskollege/kollegin hilfreich.
Vorab ganz knapp fünf Hinweise, die das Gelingen der Gespräche fördern:
- Keine Fragen.
- Keine Ratschläge.
- Jeder redet nur über sich.
- Wer redet, darf immer ausreden und wird nicht unterbrochen.
- Schweigen ist erlaubt. Es besteht kein Zwang zur Offenbarung!
Erläuterungen zu diesen Regeln
- Zwiegespräche sollten verbindlich verabredet werden.
So können es sich beide einrichten und die Wichtigkeit der Verabredung durch Anwesenheit dokumentieren.
Andererseits kann man an der Grenze einer verabredeten Zeit Widerstände (z.B. Ängste, Aggression) oder verdecktes Dominanzgehabe (den anderen warten lassen) erkennen.
Das gleiche gilt für Themen, die gewählt werden, um die eigene Angst zu regulieren – oder, wenn bestimmte Themen erst kurz vor Schluss auf den Tisch kommen, so dass sie erst in der nächsten Woche weiter verfolgt werden können.
Diese Beobachtungen kann das Paar dann aufgreifen, um nicht nur über die Inhalte, sondern auch – wie von Oben darauf geschaut – über den Prozess zu sprechen. Darüber können oft (bewusste, wie unbewusste) Phantasien, Erwartungen, frühere Kränkungen, Übertragungen und Missverständnisse aufgeklärt werden.
- Zwiegespräche brauchen wenigstens einmal in der Woche 1 1/2 Stunden ungestörte Zeit.
Die Regelmäßigkeit ist das Geheimnis ihres Erfolges.
So geht der rote Faden (des gemeinsamen Unbewussten eines Paares) nicht verloren.
Kein Paar ist zufällig zusammen; immer gibt es bei der Partnerwahl, neben den bewussten, auch unbewusste Mitgründe, die zu dieser Konstellation mit seinen spezifischen Aufgaben und Möglichkeiten geführt hat.
(9/10 unseres Wissens wissen wir nicht; es ist implizit, unbewusst.
Nur 1/10 unserer Eindrücke werden uns bewusst, sind explizites Wissen.)
- Jeder spricht im Zwiegespräch über das, was ihn bewegt;
also: wie er sich, den anderen, die Beziehung und sein Leben erlebt.
Jeder bleibt bei sich.
Das Gespräch hat kein anderes Thema.
Die Gesprächsgestaltung ist offen.
- Reden und Zuhören sollten möglichst gleich verteilt sein.
Schweigen und Schweigenlassen, wenn es sich ergibt.
Auch dabei können sich klärende Eindrücke entwickeln; meist schweigt das Gehirn ja nicht und im Schweigen hat man Zeit, sich etwas durch den Kopf gehen zu lassen.
Ausgeschlossen sind:
- Bohrende Fragen,
- Drängen,
- Kolonialisierungsversuche
(d.h. sich den anderen einverleiben, z.B. mit „Wir“-Formulierungen
oder durch Vorschriften machen, Bevormunden, Erklären, Definieren, womit man sie/ihn letztlich symbolisch als Gegenüber in der Andersartig und Eigenständig auslöscht / vernichtet).
Zwiegespräche sind kein Zwang zur Offenbarung.
Jeder entscheidet für sich, was und wie viel er sagen mag.
Beide lernen durch Erfahrung, dass größtmögliche Offenheit am weitesten führt.
Sich wechselseitig einfühlbar zu machen ist das erste Ziel von wesentlichen Gesprächen
Nur durch Mitteilen kann einer das Andere im Anderen wirklich miterleben.
Wenn uns das gelingt, beginnen wir zu begreifen, was eine Beziehung sein kann.
Wenn beide für dieses Setting (engl. Rahmen) sorgen, sorgt der Rahmen seinerseits für alles.
Vor allem garantiert diese Rahmung die unbewusste Selbstregulation der Entwicklung zu zweit.
Quelle: Michael Lucas Möller: Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Rowohlt, 1990,2002
Sehr hilfreich zum Thema ist auch die Bücher von John M. Gottman: