Schlafstörungen sind häufig, werden aber viel zu oft nicht angemessen behandelt.
Der häufigste Fehler ist, dass die Ursachen nicht hinreichend abgeklärt werden und vorschnell Medikamente angesetzt werden. Dabei sind Beeinträchtigungen des Nachtschlafes zumeist kein Behandlungsgrund für therapeutische Maßnahmen wie Tabletten. Denn die meisten Schlafprobleme durch unangemessenes Verhalten provoziert.
Gerade jetzt im Sommer wo es lange hell ist, zeigt sich Symptome.
Dabei gibt es keine Normwerte für eine Mindestsschlafdauer. Die physiologischen Schlafbedürfnisse und -muster sind individuell sehr variabel.
Eine Behandlungsbedürftigkeit entsteht vorrangig, wenn eine Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit, insbes. beeinträchtigende Müdigkeit oder plötzliches Einschlafen zu beobachten sind.
Ernstliche Schlafstörungen sind häufig ein Symptom im Rahmen einer komplexeren Erkrankung. Als häufig sind da zu nennen: falsches Schlafverhalten, Depression, Angsterkrankung, Abhängigkeitserkrankung, beginnende Demenz, Schmerzen, Schlafapnoe, Restless-leg-Syndrome und unerwünschte Arzneimittelwirkungen.
Wird nächtliches Wachliegen beklagt, sind zunächst die Hauptprinzipien der Schlafhygiene zu beachten.
– Abklärung und Behandlung der Grunderkrankung
– Verkürzung der Bettzeit, damit sich ausreichender Schlafdruck aufbaut
– Vermeiden von Hinlegen tagsüber, um das nächtliche Defizit zu kompensieren
– konsequentes Verlassen des Bettes und des Schlafzimmers (auch mitten in der Nacht)
– kehren Sie erst ins Bett zurück, wenn Sie Müdigkeit verspüren
(Durch diese letzten beiden Punkte werden – im Sinne einer Konditionierung – Bett und Schlafzimmer mit dem Schlaf gekoppelt.)
Anders formuliert heißen die Regeln für guten Schlaf:
– legen Sie sich nur zum Schlafen, wenn sie wirklich schläfrig sind und sich bereit für den Schlaf fühlen
– stehen Sie jeden Morgen um die gleiche Zeit auf – unabhängig davon, wie viel Schlaf Sie in der Nacht hatten oder ob Sie sich ausgeruht fühlen
– machen Sie tagsüber kein Nickerchen
– trinken Sie spätabends 2 Stunden vor dem Schlafengehen keinen Alkohol mehr
– trinken Sie später als 6 Stunden vor dem Schlafengehen keine koffeinhaltigen Getränke (Kaffee, Tee, Cola)
– falls Sie rauchen, versuchen Sie dies einige Stunden vor dem Schlafengehen zu unterlassen
– strengen Sie Ihren Körper unmittelbar vor dem Schlafengehen nicht mehr in besonderem Ausmaße an
– schaffen Sie eine Schlafumgebung, die den Schlaf fördert
– sind Sie es gewohnt, nehmen Sie vor dem Schlafengehen einen kleinen Imbiss zu sich, um späterem Hunger vorzubeugen
– Benutzen Sie Ihr Schlafzimmer und Ihr Bett ausschließlich für Aktivitäten, die mit Schlafen zu tun haben (Ausnahme: sexuelle Aktivitäten)
– richten Sie sich einen regelmäßigen Zubettgeh-Ritus ein, der die Nähe der baldigen Bettzeit ankündigt
– bevor Sie ins Bett gehen, dimmen Sie das Licht ein Weile, um Ihren Zellen zu signalisieren: es ist Zeit zur Ruhe zu kommen (das Schlafhormon Melatonin übermittelt diese Information)
– wenn Sie ins Bett gehen, schalten Sie das Licht mit der Absicht aus, einzuschlafen
– wenn Sie feststellen, dass Sie nicht innerhalb einer kurzen Zeit einschlafen können, stehen Sie auf und gehen in einen anderen Raum. Bleiben Sie so lange auf, bis Sie sich müde fühlen. Dann erst kehren Sie in das Schlafzimmer zum Schlafen zurück.
– falls Sie dann immer noch nicht einschlafen oder in der Nacht aufwachen und wach liegen, wiederholen Sie den vorherigen Schritt
– sehen Sie nachts nicht auf die Uhr (stellen Sie den Wecker z.B. unter das Bett)
– für manche Menschen sind auch Audiodateien / CD´s wirksam, die mit schlaffördernder Musik, Schlafinstruktionen, hypnotherapeutischen Techniken (wie z.B. autogenem Training) arbeiten.
Eine medikamentöse Behandlung sollte in aller Regel eine nachgeordnete Maßnahme sein, die beim Versagen der oben vorgeschlagenen, wissenschaftlich erprobten Prinzipien angewendet werden. Dann aber immer nur kurzzeitig, da sonst Gewöhnungseffekte eintreten (Abhängigkeitsrisiko), die die Wirkung der schlaffördernden Medikamente abschwächen, so dass von den Tabletten kaum noch eine Wirkung ausgeht. Dafür aber wirken Placeboeffekte, die Ihr Körper selbst schlaffördernd erzeugt. Sie könnten also auch auf das Ritual der Tabletteneinnahme am Abend verzichten und sich selbst wieder Vertrauen entgegenbringen. Ein weiteres wichtiges Argument gegen die längerfristige Einnahme von Schlafmitteln ist deren Einfluss auf die nächtlichen Schlafphasen, die sie verändern. Damit werden die physiologischen Prozesse, die nächtens im Gehirn ablaufen, gestört. Sie sind aber für unsere Gesundheit (z.B. in Bezug auf Demenzerkrankungen), wie für Lernprozesse, elementar wichtig.
Daher sollte die Verordnung eines schlaffördernden Medikaments nie die alleinige Behandlung sein.
Pharmakotherapie kommt vorrangig bei absehbar kurzfristigen Schlafstörungen – z.B. bei psychosozialen Belastungen – in Betracht. In Frage kommen hier Benzodiazepinanaloga – wie Zopiclon oder Zolpidem – oder auch Benzodiazepine mit mittellanger Halbwertszeit – z.B. Oxazepam – eingesetzt werden. Dabei ist das hohe Abhängigkeitspotential zu bedenken, so dass die Einnahme sich auf 8 – 14 Tage, in Ausnahmefällen auf 28 Tage beschränkt werden sollte.
Die Verordnung „nur bei Bedarf“ ist nicht suchtpräventiv; eher ist das Gegenteil zu befürchten.
Alternativ können auch niedrig-potente Neuroleptika – wie Pipamperon, Melperon, Chlorprothixen, Promethazin oder Levomepromazin – verordnet werden oder – wie Mirtazapin, Trazodon, Minanserin oder Trimipramin – sedierende Antidepressiva, meist in geringer Dosierung. Diese können auch über längere Zeiträume verordnet werden.
Allgemeine Risikofaktoren für Abhängigkeitsentwicklungen sind
– Patienten mit Klagen über Überforderung, Schlafstörungen, Erschöpfung, Unruhe, Nervosität, Ängste, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Herzrasen, Grübeln, Libidostörungen und andere unspezifische körperliche Beschwerden, die bei Stressbelastungen auftreten
– Patienten mit Suchterkrankungen in der Anamnese (inkl. Nikotin)
– Patienten mit (anamnestischer) psychiatrischer Komorbidität (= Miterkrankung; insbes. Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen)
– Angehörige medizinischer Berufe
– ältere Patienten
– Frauen (2/3 der Benzodiazepinabhängigen (= Beruhigungsmittelabhängigen) sind – warum wohl? – Frauen)
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Quelle: Hessisches Ärzteblatt 6/2023, S. 356-357, Prof. Dr. med. Tom Bschor, Berlin